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Galerie für zeitgenössische afrikanische Kunst  
  
             
 
 
 

Presseartikel

UBI BENE

Lifestyle in der Metropolregion Rhein-Neckar

3/2007

 

 

Zeitgenössische
afrikanische Kunst

Inmitten einer ländlichen Idylle am Ortsende von Gauangelloch bei Heidelberg träumt ein kleines Wasserschlösschen aus dem 15. Jahrhundert vor sich hin. Und drum herum scheint die Sonne auf den glänzenden Serpentinstein großer Skulpturen. Dieser Skulpturenpark gehört zu den weltweit größten Sammlungen an Shona-Plastiken, benannt nach der größten in Simbabwe lebenden Bevölkerungsgruppe. Ausstellungen im Musee Rodin in Paris, Museum of Modern Art New York, Biennale in Venedig widmen sich diesen wichtigen Beiträgen Afrikas zur zeitgenössischen Kunst und lassen damit deren Bedeutung erahnen.

Freddy Freddy Freiherr von Bettendorff-Escorsell Ring ist der Eigentümer des Anwesens und Gründer der Galerie. Seine Vorfahren waren Oberkammer-meister der Pfalz und Schultheiß von Heidelberg, Grundherren von Gauangelloch, Ochsenbach und Nußloch, im 18. Jahrhundert sogar kurzzeitig Besitzer des Palais Morass, dem heutigen Sitz des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg. Ein großes Grabmal im Westchor des Wormser Doms für Bischof Theoderich von Bettendorff (1518 bis 1580) unterstreicht die Bedeutsamkeit dieses Adelsgeschlechts in der Rhein-Neckar-Region.

Aus Völkerkundemuseen befreit

Freiherr von Bettendorff-Escorsell Ring lebt im Nusslocher Domizil der Familie und trifft uns nun oben in Gauangelloch. Er und sein Team aus der Galerie bitten uns zum Gespräch auf die lauschige Terrasse des Hauses, das im 19. Jahrhundert noch als Kapelle des ehemaligen Wasserschlosses diente, dann aber zusehends verfiel. „Meiner Großmutter, der Baronin Gertrud von Bettendorff, war es immer ein Anliegen, das Gut hier oben nicht nur als Obststück zu nützen. Sie wollte das Gebäude wieder einem sinnvollen Nutzen zuführen und dachte zunächst an eine Instandsetzung als Wohnhaus."
Unser leger gekleideter und ohne jeden Dünkel auftretender Gastgeber wurde 1961 in Heidelberg geboren, hat seine Schulzeit in Barcelona verbracht, um dann in Mannheim Betriebswirtschaft zu studieren und sich um die Verwaltung des Familiengutes zu kümmern.
Bei einem Besuch der EXPO 92 in Sevilla faszinierten ihn die dort ausgestellten Steinskulpturen aus Simbabwe. Er machte die Bekanntschaft mit Roy Guthries, Direktor des Chapungu-Skulpturenparks in Harare. Die Idee, solche Arbeiten in Gauangelloch zu präsentieren, nahm schnell Gestalt an. Mit Unterstützung engagierter Experten kam es schon 1993 zur Eröffnung der Galerie. Das Anliegen der Sammlung und der Wechselausstellungen beschreiben Freddy von Bettendorff und die ihn unterstützenden Kunsthistoriker und Kunstpädagogen Beatrix Altmann-Schmitt, Vera Wisseler und Thomas 0. Kuhnle wie folgt: „Es geht uns vor allem darum, afrikanische Kunst aus den Völkerkundemuseen zu befreien und einem interessierten Publikum vor allem an Beispielen aus Nigeria und Simbabwe zu zeigen. In Wechselausstellungen kommen natürlich auch Künstler aus Kenia, Tansania, Botswana und anderen afrikanischen Ländern zur Präsentation. Insgesamt machen unsere Ausstellungen deutlich, dass die zeitgenössische Kunst des schwarzen Kontinents mehr zu bieten hat als Holzmasken und Folklore."

Kunst als kollektive
Ausdrucksform —
Der Einzelkünstler ist in Afrika
eine junge Erscheinung

In der Sammlung, die im großen Wiesengarten sowie im Gewölbekeller und Obergeschoss des Schlösschens präsentiert wird, bilden Shona-Skulpturen aus Simbabwe den deutlichen Schwerpunkt. Ohne in der Steinbildhauerei verwurzelt zu sein und ohne akademisch-künstlerische Ausbildung, begannen in den 1960er Jahren künstlerisch veranlagte Landarbeiter und Taglöhner mit der Bearbeitung des im Land vorkommenden Serpentingesteins. Sie schlossen sich unter der Leitung des ehemaligen Farmers Tom Blomefield und des Direktors der Nationalgalerie in Harare (Salisbury) Frank McEwen zu Workshops zusammen. Es entwickelte sich eine Kunstrichtung, die heute als Shona-Plastik bekannt ist. Sie hat inzwischen drei Generationen hervorgebracht und internationale Anerkennung gefunden. Sammler bezahlen für die Arbeiten von Künstlern wie Henry Munyaradzi oder Bernard Matemera bis zu 40.000 Euro. Um den Verkaufserfolg, der den ersten beiden Generationen zukommt, muss die heutige dritte Generation hart ringen. Simbabwe erlebt gerade eine astronomische Inflation von 4.000 Prozent, die Förderung aus USA oder Europa ist spärlich.

Nur in Ausnahmen ist es möglich, den Arbeiten eine bestimmte Botschaft zuzuschreiben. Sie stellen oft Antlitze von metaphysischer Eindringlichkeit dar. Tierkörper wie Raubkatzen oder Paviane beziehen sich auf die Mythologie der Shona und symbolisieren Buschgeister oder herbeigesehnte menschliche Attribute wie Macht oder Güte.

 

 

 

 

 



„Wir arbeiten ohne Plan. Die Form ist vom Stein vorherbestimmt, sie kommt aus ihm heraus." So zitierte die Zeitschrift art 1980 einen Shona-Künstler der ersten Generation. Nur in Ausnahmen werden konkrete gesellschaftliche oder politische Erfahrungen darin verarbeitet. Zu diesen Ausnahmen zählt die auf der Terrasse des Wasserschlösschens stehende Skulptur Living with the virus von Joseph Muzondo. In Simbabwe liegt die Rate der Aids-Infizierung von 15- bis 49-Jährigen bei 35 Prozent.
Warum sich die Galerie in Gauangelloch auf die Ausstellung und den Verkauf von Arbeiten aus Simbabwe und Nigeria konzentriert, beantwortet von Bettendorff mit dem Verweis auf die Eigenständigkeit der Gegenwartskunst in diesen Ländern: „Wir erleben in diesen beiden Ländern ein ausgeprägtes Milieu der Gegenwartskunst, das in anderen afrikanischen Ländern so nicht entwickelt ist. Dass wir uns dabei auf Objektkunst konzentrieren, heißt nicht, dass wir bei unseren Ausstellungen auf Künstler verzichten, die sich mit der Malerei auf Stoffe und Häute beschäftigen. Wobei man wissen muss, dass Künstler als ,individuell Kunstschaffende' in Afrika noch nicht lange präsent sind.
Es gibt viel Kunsthandwerk, von Hand gemalte Werbeplakate und rituelle Formen der Gestaltung, während bildende Einzelkünstler noch die Ausnahme sind. Umso interessanter ist es für uns, die Entwicklung der afrikanischen Gegenwartskunst in unserer Galerie widerzuspiegeln und zu fördern. Wir präsentieren hier auch nicht nur die inzwischen international namhaft - und entsprechend teuer - gewordenen Künstler, sondern immer wieder auch Arbeiten, die ab ca. 300 Euro zu haben sind."

Dialog der Kulturen
Mit den vier bis sechs Wechselausstellungen, die im Erdgeschoss der Galerie übers Jahr gezeigt werden, verfolgen die engagierten Galeristen aus Gauangelloch nicht allein die Bekanntmachung und Förderung afrikanischer Künstler. Die Präsentation europäischer Künstler, die sich in ihren Werken mit Afrika beschäftigen oder unbeabsichtigt große Affinität zu Afrika aufweisen, zielt auch auf einen Dialog der Kulturen. So fand sich im Programm des Jahres 2005 unter anderen auch Hans-Peter Lübke mit seinen an Afrika erinnernden Bildern und Plastiken. Den 1960 in Windhoek (Namibia) geborenen Künstler entdeckten die Gauangellocher auf der Art Karlsruhe. Im Spätsommer 2006 kam es zu einem weithin beachteten interkulturellen Projekt mit dem Titel „2 x Nigeria - 1 x Heidelberg. Dabei wurden Malereien der
nigerianischen Künstler Rom Isichei und Tola Wewe neben Außeninstallationen und Objekte der Heidelberger Künstlerin Caroline Laengerer gestellt, deren Material, Farben- und Formensprache eine unübersehbare Nähe zu Arbeiten aus Afrika aufweisen.
Das Publikum der Bettendorffschen Galerie kommt hauptsächlich aus dem Großraum Stuttgart - Karlsruhe - Frankfurt. Ausgesprochen Afrika-Interessierte reisen sogar von Berlin oder Paris an, oder sie planen bei Fahrten, die an Heidelberg vorbei führen, einen Abstecher in diesen schönen Garten der afrikanischen Künste.


Ein kleiner Tipp am Ende: Das Anwesen kann auch für niveauvolle Familien- und Firmenveranstaltungen genutzt werden.


Text: Helmuth Bischoff Fotos: Christoph Blüthner


14.10.-16.12.2007
MALEN IST MEIN LEBEN -
Gemälde von MAMADOU DIAKHATÉ - Maler und Philosoph, Senegal


_ Weitere Informationen:
Bettendorffsche Galerie im Schloßgarten 69181 Gauangelloch/Leimen
Tel. 06226 990000
www.bettendorff.de